Vancouver

31. Oktober 2009
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Freitag, 30. Oktober

Pleiten, Pech und Pannen – doch die olympische Fackel 2010 brennt

Der Wecker klingelt, und zwar unbarmherzig. Tapfer stehen wir auf, das Wetter hier in Victoria auf Vancouver Island sieht viel versprechend aus am Tag des „Torch Relay“. Der Regen der letzten Tage hat etwas nachgelassen. Es ist dennoch ein grauer Morgen, und es sind erschreckend wenig Leute vor dem Parlamentsgebäude und im Hafen. Wir ignorieren die dringende Anweisung von VANOC, dass man nur entweder das Anlanden der Boote im Hafen oder die Zeremonie auf der Bühne vor dem Parlament fotografieren kann (und sie raten einem vom Hafen ab) – und gehen ungerührt in den Hafen. Bis zur Bühne sind es 700 m – und ich will an beiden Orten fotografieren. Fünf Journalisten hatten dieselbe Idee wie ich, und wir beobachten, wie die drei Kanus der Indianer eine gute halbe Stunde später als angekündigt in den Hafen hereinpaddeln und anlegen. Die Würde des Moments wird durch die gleichzeitig einfahrende Fähre gestört, aber das ignorieren wir einfach und machen tapfer bei von Sturmwolken zu kurzem Sonnenschein wechselndem Licht (ISO nachjustieren!) unsere Fotos. Nachdem die 10 Chiefs der verschiedenen First Nations das olympische Feuer einander gereicht, Geschenke ausgetauscht (bunte Decken) und von den Kanus an Land gegangen sind, eilen wir zur Bühne. Die aufgeregten Jungs vom Vanoc-Organisationsteam geben uns rechtzeitig ein Zeichen, wann wir loslaufen sollen. Langsam und ein wenig steif folgen die Chiefs mit dem olympischen Feuer in der unscheinbaren Laterne.
Im Medienbereich vor der Bühne lässt sich locker ein Platz finden, denn dank einer kleinen Fehlinformation vom Vorabend stehen die anderen Fotografen alle 50 Meter vor der Bühne um ein Podest mit Brunnen herum. Allerdings ist nicht dort der Behälter fürs olympische Feuer, sondern das Teil steht nicht weiter erkennbar auf der Bühne – was ich zunächst für das Rednerpult hielt, stellt sich am Ende als Feuerschüssel heraus. Die Indianer umrunden die Fontäne und gehen auf die Bühne, sodass es vor der Bühne nun doch eng wird. Die Wiese ist nass und man steht im kniehohen Schlamm, auf der Bühne begrüßen sich und das Publikum erneut die Häuptlinge in ihrer modern-traditionellen Kleidung. Plötzlich unterbricht eine energische Frauenstimme aus dem Lautsprecher die Rede der Indianer und kündigt den Auftritt von John Furlong, CEO VANOC, Steve Harper, Premierminister von Kanada, Gordon Campbell, Ministerpräsident von British Columbia, Gregor Robertson, Bürgermeister von Vancouver, den Sponsoren (Coca-Cola und RBC) und noch anderen wichtigen Personen an. (Die Bühne wird voll!) Die Moderation kommt vom Band – es ist nicht nur der falsche Zeitpunkt, sondern es klingt auch steif, kalt und uninspiriert. Die wichtigen Männer kommen auf die Bühne, die Indianer sind irritiert, reagieren aber gelassen und bleiben ungerührt stehen. Mürrisch gucken tun sie schon die ganze Zeit, also ändert sich an ihrem Gesichtsausdruck nichts weiter. Als die Weißen endlich auf ihrem Platz stehen, beenden die Häuptlinge Tom Sampson, Andy Thomas und Robert Sam ihre Rede, überreichen John Furlong die kleine, unscheinbar Laterne mit dem Feuer aus Olympia, und verlassen würdevoll die Bühne. Der Schlamm zu unseren Füßen wird immer schlammiger, der Himmel immer grauer und die Reden immer länger – jetzt sind die Organisatoren dran. Doch „Begeisterung“, wie immer wieder heraufbeschworen, liegt nicht in der Luft, laute Protestschreie hingegen schon. Eine junge Kanadierin griechischer Herkunft (in der amerikanischen Version eines Chitons) bringt nun eine griechische Schale mit dem Feuer, überreicht sie John Furlong und verschwindet wieder. Die anonyme Lautsprecherstimme stellt das Mädchen vor, sie kommt noch einmal, unsicher diesmal, nach vorn. John Furlong lächelt. Zusammen mit Mrs. Pool, Witwe des beim Abholen des olympischen Feuers in Griechenland verstorbenen Vorstands von VANOC, versucht er nun, mit einer Fackel das Feuer in der Feuerschüssel zu entzünden. Erst lächelt er freudig, dann tapfer, zum Schluss nur noch angespannt, es will kein Funke überspringen. Schließlich brennt das Feuer in der Schale doch und es kommt dann auch endlich jemand vom Personal, um ihm die griechische Schale (die irgendwie aussieht wie ein Blumentopf vom Griechen nebenan) abzunehmen. Die Lautsprecherstimme verkündet die Namen der ersten beiden Fackelträger. An dieser Stelle hatten die Veranstalter mit Jubel und Beifall gerechnet, doch es donnern drei tief fliegende Militärmaschinen über das Parlamentsgebäude. Diese sollten als besondere Einlage just dann über den Platz fliegen, wenn die olympische Fackel entzündet wird – doch das wissen nur jene Journalisten, die das Briefing gründlich gelesen haben. Das Publikum guckt verdutzt, die Moderation vom Band geht ungerührt weiter, die jungen Sportler kommen auf die Bühne, zünden die Fackel an, heben sie in die Luft, lächeln und wir Fotografen haben den Höhepunkt des Tages – knips, knips, knips. Die beiden laufen los, umrunden noch mal die Fontäne und der Fackellauf beginnt. Nach 300 m der erste Wechsel, dann, vor dem Empress-Hotel, ein weiterer Wechsel. Man sieht das Feuer der Fackel über den Köpfen der Besucher, viele sind es nicht. Auf der Bühne singt ein großer Kinderchor, doch bevor das Lied zu Ende ist, ist der Platz vor der Bühne leer. Der Himmel ist grau, wir sind ernüchtert. Das war es also.

Im Café sitzen am Nachbartisch die Olympia-Gegner, wir hören nicht hin, kriegen aber trotzdem mit, dass sie sich über die Finanzierungspolitik der Spiele laut echauffieren. Am späten Nachmittag findet noch eine Anti-Olympia-Demonstration statt:
NO OLYMPICS ON STOLEN NATIVE LAND!
(Keine olympischen Spiele auf dem gestohlenen Land der Ureinwohner.)

Donnerstag, 29. Oktober

Zwei nette Männer, eine Kiste Bücher und eine echte Eule – und das alles am Vorabend des olympischen Fackellaufes!

Das olympische Feuer ist schon im Flugzeug und wird aus Griechenland (mit Zwischenstopp in Island) nach Kanada gebracht. Morgen früh, kurz vor 7 Uhr, soll es ankommen. Wir machen uns auf den Weg nach Victoria, auf Vancouver Island.
Auf der Fähre packe ich zwar meinen Laptop aus, aber es dauert trotzdem nicht lange, und wir sind mit Paul im Gespräch. Er lebt auf einer der kleinen Inseln rund um Vancouver Island, war früher in Deutschland (oder war es Frankreich?) stationiert, hat dann im Verlagswesen gearbeitet und macht nun 3 Monate Urlaub. Nach einer halben Stunde lädt er uns ein – wir sollen ihn anrufen, wenn wir auf seinem Inselchen sind. Die Einladung erfolgt nicht ohne expliziten Hinweis auf sein Segelboot, was auch „offshore“ ist. Wir sind unbeeindruckt, da unwissend (Was bedeutet „offshore“ bloß?) und lächeln freundlich. Er erklärt uns die Vorzüge seines Segelbootes – und hängt eine Einladung zum Segeltörn dran – im März, wenn er dann aus der Karibik zurückgekommen ist. Wir nicken und tauschen die Visitenkarten, vielleicht brauchen wir ja doch noch mal ein Urlaubsziel im Frühjahr.
In Victoria treffen wir den zweiten netten Mann, einen wunderbaren Verleger mit einem exquisiten Verlagsprogramm. Wir plaudern über Bücher, die Verlagslandschaft und E-Books und werden mit einer üppigen Bücherkiste entlassen: Urlaubslektüre.
Dann marschieren wir schnurstracks ins Empress-Hotel, das 1. Haus am Platz, und akkreditieren uns für den Beginn des Fackellaufes. Unkompliziert. Am späten Abend erfolgt ein gut organisierter Rundgang mit präzisen Informationen, wann man wo was zu sehen kriegt.
Auf dem Weg zum Schlummertrunk mit einem Journalistenehepaar sehen wir noch eine richtig große Eule mitten in der Innenstadt von Victoria. Ein Vorbote aus Athen für die kommenden Events?


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29. Oktober 2009
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Dienstag, den 27. Oktober

Wir wälzen Reiseführer, surfen durchs Netz und rufen ein paar Hostels an. Nächste Woche werden wir ein paar Tage wegfahren und die wollen vorbereitet werden. Wenn wir zurückkommen, ist es Zeit für eine Party, denken wir und beschließen, alle unsere Bekannten anzurufen.
Ich fange mit den Jungs an. Ich weiß ja inzwischen, dass Small Talk in Kanada wirklich „small“ ist, aber das überrascht mich dann doch. Die durchschnittliche Gesprächsdauer beträgt 1 min 53 sec und die kürzeste Antwort ist: „I can make it.“ (Das passt.) Ich glaube, er klang sogar fröhlich.
Alle Angerufenen sagen sofort zu, nur der Hausmeister sagt ab.
Wir haben weder genügend Stühle noch genügend Geschirr, aber jetzt fahren wir erst einmal weg.
(Und ich denke auch nicht darüber nach, wie die drei zu den verschiedenen Gästen gehörenden Hunde wohl in die Wohnung passen.)

Montag, den 26. Oktober
Diesmal jogge ich zum Yogakurs, um wenigstens ein Minimum an sportlicher Ertüchtigung zu gewährleisten. Die Lehrerin freut sich, mich zu sehen und gibt alles, um mich als reguläres Mitglied (ich bin immer noch im Schnupperkurs-Modus) zu gewinnen: Sie erklärt mich zur Vorturnerin. Ich muss meine Hosen hochkrempeln, damit die anderen die Muskeln meiner Beine schön sehen können, und los geht`s. Ich bereue die Joggingrunde sofort und setze eine tapfere Miene auf. Bestimmt können es alle anderen besser, aber da gucke ich nicht hin.
Auf dem Heimweg finde ich einen Schlüsselanhänger. Nicht schlecht, aber ein bisschen mickrig, denke ich und denke weiter, dass ich eigentlich schon lange nichts mehr gefunden habe. Bisher habe ich eine Taschenlampe, einen 20-Dollarschein, Muscheln, ein Handy (das habe ich abgegeben) und diverses Kleingeld gefunden. Ich gucke auf den Weg und sehe – einen 20-Dollarschein. Schon wieder! Ich muss lachen. Das Wünschen klappt doch!


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23. Oktober 2009
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Freitag, 23. Oktober
Meine Freundin arbeitet beim Writers Festival als Volunteer, das heißt, sie reicht schwitzenden Schriftstellern ihren Kaffee, beruhigt sie mit Komplimenten und verkauft Bücher. Außerdem plaudert sie mit den Kollegen, und diese erzählen, dass die ursprünglichen Hauptquellen der kanadischen Wirtschaft (Fischfang, Holzindustrie, Bergbau) hier in Vancouver langsam aber stetig zurückgehen und Arbeitslosigkeit immer mehr ein Problem wird. Eine Kollegin spitzt es zu und sagt, dass Vancouver „ein verlorener Außenposten der Zivilisation“ sei. Es gibt hier nichts „drumherum“ – die nächste Stadt ist 350 km entfernt, und dann auch noch in einem anderen Land (Seattle, USA). Es gibt Berge und Meer, aber keine florierende Industrie, und als Kulturmetropole muss sich Vancouver erst noch behaupten. Natürlich hoffen viele, dass Olympia das Augenmerk der Weltzuschauer auf die Stadt lenken und den Tourismus so nachhaltig ankurbeln wird. Viele bezweifeln das aber auch, und fragen leise, ob man das Geld, die vom Veranstalter VANOC veranschlagten 2.500 Millionen Dollar (Quelle: Vancouver Sun, 27. Sep. 09) wirklich für dieses Event zahlen soll. Wenn sich die Spiele nicht amortisieren, wird es der Steuerzahler sein, der drauflegt. Der „Steuerzahler“, der dieses Geld lieber in Schulen, Bildung, Infrastruktur, Kulturförderung (siehe Eintrag vom 20. Sep.!), Integration etc. angelegt sehen würde, ist nicht gefragt. Kritik an den Spielen ist unerwünscht. Im Fernsehen wird darauf hingewiesen, dass jede öffentlich geäußerte Kritik an den Spielen (z.B. in Schaufenstern, auf T-Shirts, Plakaten etc) gerichtlich geahndet wird.
So viel zur Demokratie in Kanada.

Mittwoch, 21. Oktober
Wir planen Ausflüge und lesen im Reiseführer. Neben den Naturschönheiten interessiert uns natürlich auch das adäquate Verhalten in den kanadischen Wäldern. Es ist ja nicht der Schwarzwald, hier gibt es wilde Tiere. Zum Beispiel Bären. Wir wissen, dass wir uns Trillerpfeifen, Glöckchen oder ähnliches besorgen müssen, um die Tiere mit Lärm möglichst rechtzeitig zu verjagen. Aber was soll man tun, wenn man dann doch mal einen trifft?
Der Wanderführer empfiehlt dazu folgendes: Handelt es sich um eine Bärenmutter, die ihre Jungen in Gefahr sieht (defensiver Angriff), dann soll man sich „tot stellen.“
Handelt es sich um einen Bären, der einem nachläuft (offensive Attacke), dann soll man sich „nicht tot stellen“, sondern sich mit allem, was einem in die Hände kommt, verteidigen.
Die Kunst wird nun also darin bestehen, wenn man dem Bär begegnet zu erkennen, ob dieser defensiv oder offensiv aggressiv ist. Tot stellen oder rumprügeln?
Also keine blinde Panik sondern kühle Beobachtungsgabe ist angesagt…
(Mir persönlich würde es auch reichen, Bären einfach nur vom Auto aus zu sehen.)

Montag, 19. Oktober
Wir wagen es – und gehen zum Friseur. Das ist insofern ein Abenteuer, dass ich zwar verstehe, was mich die Friseurin, Rebecca aus Neuseeland, fragt, aber nicht sicher bin, ob sie auch das gleiche meint wie ich: Wir einigen uns auf „mal was anderes, ein bisschen lustig, nicht zu konservativ, mit Fülle und Volumen, pflegeleicht“. Dann setze ich meine Brille ab, schließe die Augen und harre der Dinge, die nun passieren. Als sie meine Haare mit dem Plätteisen bearbeitet, zucke ich dann doch etwas zusammen. Meine Haare sind dünn, fein und tendieren zum Strähnigen – zu glättende Locken habe ich bisher noch nicht entdecken können. Also mache ich einfach die Augen wieder zu. Als ich sie wieder aufmache, erwartet mich eine Überraschung: Ich habe genau dieselbe Frisur wie in Deutschland.
Wie kriegen das Friseure nur immer hin?

Freitag, 16. Oktober
Es ist Freitag, es regnet und es ist grau. Ich hab mich mit einem Manuskript aufs Bett zurückgezogen, Tee, Schokolade und Wolldecke liegen griffbereit. Doch da klingelt das Telefon und holt uns aus unserer betriebsamen Ruhe. Es ist einer unserer Bekannten, und er versichert sofort, dass das Wetter gar nicht schlimm sei, es sei überhaupt nicht kalt und auch gar nicht windig. Ob wir mit ihm rausgehen? Zum Eishockey. Meine Freundin fragt, ob es drinnen oder draußen stattfindet (so viel zu unseren sportlichen Vorkenntnissen) und wir vereinbaren, dass wir ihn um 6 Uhr abholen. Es spielen die Vancouver Giants gegen Prince George im Pacific Coliseum – und die Giants gewinnen 8:00. Ich sehe nicht viel, ich fotografiere – und bin froh, dass ich den Puck während des Torschusses festhalten kann. Cooles Teil, meine neue Kamera!


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16. Oktober 2009
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Donnerstag, den 15. Oktober

Die Kürbissuppeneinladung rückt unaufhörlich näher. Unsere Vorbereitungen erreichen einen weiteren Höhenpunkt: Wir kaufen Geschirr. Siedendheiß ist mir eingefallen, dass man Suppe gewöhnlich in Schalen serviert – und davon brauchen wir drei. Dann decken wir den Tisch, wärmen die Suppe, backen das Brot auf und schneiden die Limette in appetitliche kleine Häppchen (fürs Wasser). Wir sind 30 min zu früh fertig. Wir setzen uns an den Tisch, genießen die Aussicht und erwarten vorfreudig unseren allerersten Abendessengast. Unser Besuch kommt 10 min später. Er ist müde von der Arbeit, hungrig und von unserem kleinen Perfektionismus augenscheinlich überfordert. Das Essen wird plötzlich steif und schweigsam.
Ich beschließe, fortan die Ansprüche an unsere häusliche Ausstattung über Bord zu werfen und in Zukunft wieder mehr zu improvisieren. Das war lustiger.


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15. Oktober 2009
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Mittwoch, der 14. Oktober
Auf einer Party haben wir einen Mann kennengelernt, der widerum den Mann kennt, der das Skiteam, das kanadische, in Whistler während Olympia beherbergen wird. Er hat wohl ein Chalet, oder so. Ich frage nicht, warum sie nicht im olympischen Dorf wohnen, sondern biete ihm, als er die Info, dass er den Mann kennt, der das Skieteam, das kanadische, unterbingt, zum dritten Mal auf der Party platziert, einfach unsere Begleitung an. Wir könnten das Skiteam sicher prima unterhalten! Die Frauen gucken ob meiner Dreistigkeit etwas verblüfft, die Männer grölen. Ich lade unseren Bekannten zur Kürbissuppe ein.
Und nun laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.
Die Kürbissuppe köchelt, meine Freundin entdeckt einen dritten Stuhl hinter den Mülltonnen zwei Häuser weiter und ich gebe mein Bestes und backe einen Kuchen. Ohne Maßbecher ist es ein Abenteuer, aber mein Gefühl trügt mich diesmal nicht: Konsistenz und Beschaffenheit gelingen hervorragend, es ist einer der bestaussehendsten Pflaumenkuchen, die ich je hinbekommen habe. Die Enttäuschung folgt dann beim ersten Bissen: Er ist geschmacklich eher an Waschpulver orientiert. Ich fluche über die nordamerikanische Lebensmittelindustrie, meine Freundin lässt sich die verwendeten Zutaten genau erklären. F#ck! Ich habe doch tatsächlich das „Baking Soda“ (Natriumkarbonat) für Backpulver (Baking powder) gehalten.


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13. Oktober 2009
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Montag, 12. Oktober

Es wird herbstlich kühl, hier in Vancouver. Doch das hält niemanden vom Radfahren, joggen, laufen, skaten, surfen, segeln oder paddeln ab. Allerdings ändert sich die Mode ein wenig: man zieht nun langärmelige Sweatshirts zu den mit nackten Füßen getragenen Flipflops an. Und wenn abends die Sonne untergeht, gern auch Alpaca-Wollmützen.
Am Wreckbeach erspähen wir noch die letzten Nackt-Sonnenbader. Auch sie haben nackte Beine, keine Hosen – aber Wollpullover.

Sonntag, 11. Oktober

Wir haben Glück und meine Freundin wird von einem ihrer Mit-Sportler zu einer traditionellen Thanksgiving-Party eingeladen. Obwohl man hier die Wurzeln dieses Festes kritisch sieht – die ersten Einwanderer konnten nur dank der Hilfe der Indianer überleben, die man dann jedoch vertrieb – hält uns das nicht vom Truthahn ab.
Ein Bekannter holt uns ab und erzählt uns im Auto, dass er seinen Hund (er heißt Schindler) heute zuhause ließ, da dieser sich mit dem Hund des Gastgebers (ein Rottweiler namens Maximus) nicht so gut verstünde. Es wäre aber okay, der Hund sei glücklich, denn er dürfe fernsehen gucken. Schalkhaft frage ich, ob der Hund auch eine Lieblingssendung habe. Ernsthaft antwortet er „Oh ja“, und er hat ihm auch extra den entsprechenden Kanal eingestellt: Der glückliche Hund darf den ganzen Abend Eishockey gucken (der kanadische Nationalsport).


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12. Oktober 2009
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Samstag, der 10. Oktober
Endlich gibt es einen „richtigen“ Ausflug und wir fahren auf einen der umliegenden Berge. Die Aussicht auf Vancouver, das Meer und die schneebedeckten Berge am Horizont ist fantastisch.
Am Abend gehen wir noch mit einem Bekannten ins Kino. Wie wir es ja schon von den Theatervorstellungen kannten, wurde auch diesmal der Film erst etwas anmoderiert: Ein Mann in einem weißen Pelzmantel erklärt etwas über die Entstehung und die Hintergründe des Films. Dann werden die Zuschauer auf die Bühne gebeten, um von ihren eigenen Erfahrungen zu berichten. Sie lassen sich nicht lange bitten und berichten von ihren Erlebnissen. Es geht um BURNING MAN in Nevada, USA. Ich finde die Idee, die diesem Event zugrunde liegt, genial, und die „location“ mitten in der Wüste fantastisch, vom Mitmachfetischismus der Kanadier bin ich jedoch etwas überfordert.
Natürlich gehen Moderator, Regisseur und die begeistertesten der Zuschauer danach noch ein Bier trinken und da unser Begleiter ein Freund ist (von wem?) landen wir in der gleichen Kneipe …
BURNING MAN, so wird noch einmal ausführlich diskutiert, entstand in den 80er Jahren in San Francisco als „Familienpicknick“: Künstler feierten und verbrannten zur Mittsommerwende eine Holzfigur am Strand. Immer mehr Gruppen schlossen sich an und das Event wurde immer größer, populärer und pyromanischer – und findet nun mit etwa 50.000 Besuchern in der Wüste von Nevada statt. Die Verbrennung der riesigen Holzfigur ist dabei der Abschluss von mehreren Tagen, an denen an gemeinsamen Kunstprojekten gearbeitet, Musik gemacht, gefeiert und getanzt wird. Das ganze „Happening“ mitten in der Wüste Nevadas und fernab jeglicher Zivilisation hat wohl eine eigene Stimmung, denn die „Community“ versteht sich auch als soziale Utopie: Man versucht alternative Lebensformen. Geld verliert an Wert, stattdessen wird z. B. mit Waren oder Dienstleistungen „gehandelt“, es ist ein offener Austausch, kreative Ideen und Kunst (und vermutlich auch Drogen) sind das, was alle verbindet.

Freitag, der 9. Oktober
Was „Aldi“ in Deutschland ist in Kanada der „Real Canadian Superstore“. In diesen riesigen Einkaufsläden gibt es alles – von Nahrungsmitteln über Klamotten bis hin zu Elektrogeräten. Und natürlich ist alles deutlich preiswerter. Dafür sind aber die Tüten auch größer – vom Lieblingstee kriegt man also nicht 20 Beutel, sondern 200. Und der Reis wird wohl auch für die nächsten Monate reichen. Wir könnten eine nordamerikanische Großfamilie locker die nächsten Wochen mit durchfüttern und haben nicht das Gefühl, als Touristen hervorzustechen, als wir auf dem Parkplatz unseren Chevy beladen.

Donnerstag, der 8. Oktober
Ein neues Auto will gefahren werden, finde ich. Meine Freundin meint, wir sollten arbeiten (und Geld verdienen). Der Kompromiss ist ein Nachmittagsausflug – wohin sonst als an einen der Strände.

Mittwoch, den 7. Oktober
Einfach so hingehen und ein Auto kaufen … die Jungs haben recht, einfach so geht das nicht. Wir fahren zunächst einmal mit dem Bus zur Bank (keine Spaziergänge heute!), beschweren uns über die arrogante Asiatin, transferieren Geld (es klappt!) und lassen uns einen Check für das Autohaus ausstellen. Dann bekommen wir von der Bankberaterin und dem netten Schalterbeamten noch eine lange Erklärung, was wir wo und warum noch mit unseren Führerscheinen machen lassen sollten (Man könnte die Prüfungen anerkennen und die Führerscheine für Kanada umschreiben lassen). Ich schreibe es auch noch auf. Unsere „Darauf-müsst-ihr-unbedingt-achten“- Liste ist vier Seiten lang und im Bus überlege ich, ob wir es nicht doch einfach alles sein lassen sollten. Meine Freundin beharrt darauf, dass wir wenigstens noch zu den anderen Autohändlern gehen und da wir inzwischen im Skytrain (einer Art S-Bahn) sitzen, nicke ich ergeben. Dank profunder Internetrecherche wissen wir, dass es von der Endstelle der Skytrain einen kostenlosen Shuttlebus zur „Auto Mall“ gibt und wir haben auch einen Lageplan der einzelnen Autohändler in der Tasche. Wir steuern Ford an. Als wir unsere Preisvorstellungen sagen, schickt uns der chinesische Autohändler eher unfreundlich vom Hof. Wir pilgern zu Honda, der indische Verkäufer gibt sich alle Mühe uns genauso alte, doppelt so teure Autos zu verkaufen und bietet uns schnell ein paar Möbel an, als wir bei den Autos nicht zugreifen.
Verzweifelt esse ich den wahrscheinlich schlechtesten Hot Dog meines Lebens und wir versichern uns beide noch mal, dass wir wirklich kein Auto kaufen müssen. Wenn uns irgendetwas komisch vorkommt, dann gehen wir einfach wieder nach Hause. Alles kein Problem. Der Shuttlebus fährt stündlich. Aber zunächst werfen wir doch noch mal einen Blick auf den Chevy. Einverstanden? Einverstanden.
Ich fingere nach der vierseitigen „Darauf-müsst-ihr-achten“-Liste und tapfer schleichen wir auf den Hof „unseres“ Händlers. Der arabische Händler erspäht uns sofort, kommt auf uns zu und murrt, dass wir später als erwartet kämen. Wir hatten uns für einen deutlich früheren Zeitpunkt angekündigt. Aber das würde, murmelt er gleich, jetzt auch nichts machen, er hätte nur einen anderen Kunden und keine Zeit. Ich verstehe nicht, was das bedeutet (Sollen wir warten? Gehen? Später wiederkommen?), beschließe aber, dazu nichts zu sagen. Er holt einfach die Autoschlüssel und schickt uns auf Probefahrt – ohne ihn. Meine Freundin bietet ihm irgendwelche Papiere an, er winkt nur ab und wir fahren los. Die Kiste ist frisch geputzt, glänzt und röhrt wie ein junger Hirsch. Mitten auf dem Feld halten wir erst einmal an und inspizieren alles. Wir haben zwar keine Ahnung, aber eine Liste und gucken, ob wir sehen, was wir sehen sollen. Wir sehen nichts, aber das, was wir sehen, sieht gut aus. Wieder beim Autohändler macht der die Motorhaube auf und zeigt uns, was man so alles beim Autokauf inspizieren sollte. Wir gucken auch und staunen, dann zieht er die Versicherungspapiere aus dem Schreibtisch und präsentiert uns eine ordentliche, unabhängige Inspektion. Er ist genauso vorbereitet wie wir und plötzlich ist alles kein Problem mehr. Ich fange an, Pläne für einen Nachmittagsausflug zu schmieden, denn wenn der Papierkram erledigt ist, können wir mit dem Auto vom Hof fahren. Wir schütteln Hände – und nun folgt der Papierkrieg in den diversen Sekretariaten (Bezahlung, Was, ihr wollt keine Garantie?, Versicherung). Wir sind nicht die einzigen kaufenden Kunden, und es dauert fast 4 Stunden, bis auch das letzte Papierchen ausgestellt ist. Aber nun sind wir und das Auto versichert, das Auto gehört uns und mit knurrendem Magen fahren wir mit einem vollgetankten, blitzblanken Auto vom Hof. Zum Glück wissen wir, dass IKEA um die Ecke ist und dort gibt es ja nicht nur Möbel, sondern auch Zimtschnecken, Hot Dogs und das allerbeste Knäckebrot.

Dienstag, den 6. Oktober
Ich will die zweite „Portion“ Geld nach Kanada transferieren und laufe zur Bank. Dort erwartet mich eine böse Überraschung: Der Geldautomat erklärt lapidar „transaction unauthorised“. (Transaktion nicht zugelassen). Mit der Karte meiner Freundin ist es das gleiche. Ich breche in Schweiß aus und gehe rein. Die asiatische Schalterdame wirft ihre langen, glänzenden Haare über die Schultern, verschränkt die Hände mit den knallrot lackierten Fingernägeln und erklärt mit spitzem, kirschrotem Mund, dass dies weder ihr Problem sei, noch sie mir helfen könne. Ich überlege kurz, ob ich sie erwürgen kann, dann halte ich nach unseren „Bekannten“ Ausschau: Unsere Bankberaterin, eine ausgesprochen nette Ägypterin, ist in einem Gespräch und der nette Schaltermann ist augenscheinlich in der Pause. Mit wackligen Knien schleiche ich nach Hause.
Auf dem Weg kommt die plötzliche Erleuchtung: Ich darf einmal pro Tag Geld abheben. Das habe ich gestern getan. Aber das „gestern“ in Kanada war schon das „heute“ in Deutschland – dort hatte der neue Tag schon begonnen. 9 Stunden Zeitunterschied! Etwas erleichtert setze ich mich zuhause vor den Rechner und recherchiere noch einmal im Internet nach gebrauchten Autos. Unser Auto hat einen Super Preis! Privatangebote liegen nicht darunter. Dann lasse ich mir von einem deutschen Freund erklären, worauf man beim Autokauf achten muss: Stoßdämpfer, Rost, Bremsscheiben … ich fange eine Liste an. Dann rufe ich einen unserer kanadischen Bekannten an und frage ihn, worauf man bei den Papieren achten muss. Die kanadische Rechtslage ist etwas anders, die Liste wird noch länger. Er verweist mich auf mehrere gute Webseiten und erklärt, dass man sich bei der Versicherung auch nach der „Geschichte“ eines Autos erkundigen kann. Ist eine Hypothek darauf, war es in einen Unfall verwickelt – all das kann man erfahren. Außerdem, so betont er immer wieder, braucht es natürlich dringend eine Inspektion. Einfach so hingehen und ein Auto kaufen, da sind sich beide Männer einig, das geht nicht.

Montag, den 5. Oktober
Beetle oder Chevy?
Egal, wir wollen ein Auto. Und die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren: Ich rufe meine deutsche Autoversicherung an (für einen Nachweis, dass wir die letzten Jahre unfallfrei gefahren sind), telefoniere mit der Bank und lasse das Geld aus dem Sparstrumpf auf das Girokonto schieben, wir gehen zur kanadischen Bank, heben das Geld portionsweise in kanadischen Dollar ab und zahlen es auf das kanadische Konto ein (nicht die eleganteste, aber die kostengünstigste Art, Geld zu transferieren.), lassen einen Check vorbereiten und rufen den Autohändler an.
Am Abend gehe ich zum Yogakurs, mit meinen neuen Turnschuhen und in der Hoffnung, auch mal einen Rockstar zu treffen (wie meine Freundin). Als ich in die Turnhalle komme, liegen etwa vierzig Menschen vor den Wänden auf dem Rücken und strecken die Beine in die Luft. Ich ziehe meine Turnschuhe aus, hole mir die nötigen Accessoires und lege mich dazu. Bevor ich mit den Zehen wackeln kann, erspäht mich die Lehrerin und kommt zu mir. Nach einer kurzen Begrüßung beginnt die Stunde, an einer Person werden die Übungen erklärt, dann machen es alle nach. Das meiste sind Dehn- und Streckübungen an der Wand. Nicht schlecht – aber meine Yoga-Kurse sahen irgendwie alle anders aus.

Sonntag, den 4. Oktober
Die Nachbarin hat Sex (wir hören`s!), auf dem Balkon liegt ein toter Vogel und unser Freund, der Bettler, klappert vor dem Fenster mit seinem Einkaufswagen voller Flaschen. Und wir wollen mal wieder zu IKEA, dieses Mal ohne Rucksack, sondern mit Auto. Wir kaufen ein Bett, einen zweiten Tisch und jede Menge Kleinigkeiten und weil es so schön ist, fahren wir gleich noch beim Autohändler vorbei. Diese sind auch hier alle an einem Ort, einer „Auto Mall“ – und zwar vor den Toren der Stadt. Es ist ein sonniger Sonntagnachmittag, und der arabische Verkäufer tut sein Bestes, uns zu imponieren. Er zeigt uns einen alten Subaru Legacy, den wir auch gleich Probefahren dürfen. Er ist nicht schlecht, aber nicht das Richtige. Dann zeigt er uns einen Chevrolet, und unsere Augen leuchten: Ein richtig amerikanisches Auto. Er ist frisch auf den Hof gekommen, schmutzig, und beim Chrysler-Händler auch irgendwie nicht richtig aufgehoben. Aber wir haben uns schon in das Babe verliebt und strahlen. Der Verkäufer flitzt zu seinem Chef, holt den Schlüssel und kommt mit einer Überraschung zurück. Wir fahren Probe. Sanft und weich schaukelt die alte Dame durch die Landschaft. Danach folgt die Überraschung: Er ist in unserem Preislimit. Wir schlucken und strahlen noch mehr und erbitten uns Bedenkzeit. Dann gehen wir zum nächsten Händler. VW, da weiß man, was man hat. Der Verkäufer hat deutsche Wurzeln und nach kurzer Plauderei bietet er uns einen Beetle an, der Preis wäre auch okay. Ein Beetle würde mir gefallen, aber ob das wohl das richtige Auto für die kanadischen Berge ist?

Samstag, den 3. Oktober
Meine Freundin hat sich für das kommende „Schriftstellerfestival“ als Volunteer, als freiwillige Helferin, angemeldet. Die Koordinatorin findet ihre Bewerbung augenscheinlich reizend, weiß aber nicht, ob sie sie unterbringen kann – es gab 350 Bewerbungen. Aber meine Freundin solle sich doch mal, so die Antwort per Mail, bei der Nachbarin der Koordinatorin melden, diese sei Rektorin einer deutschen Schule. Also ist meine Freundin dort vorstellig geworden. Beim Vorstellungsgespräch wird klar, dass sie zwar auch keine Stelle haben (schließlich hat das Schuljahr schon angefangen), vielleicht aber eine schaffen könnten, wenn meine Freundin sich ein Projekt überlegt, doch erst einmal solle sie Lehrerin und Schüler kennenlernen. Also hospitiert sie und trinkt mit der Lehrerin Kaffee. Diese weiß nichts um die Mysterien der Personalpolitik, bietet meiner Freundin aber spontan ihr Auto an – damit wir ein zweites Mal zu IKEA fahren können.

Freitag, 2. Oktober
Es klingelt. Die Türklingel ist inzwischen an der Telefonanlage angeschlossen, alles funktioniert und wir können uns nun über Überraschungsbesuch freuen. Einer unserer Bekannten steht vor der Tür. Wir plaudern und wollen mit ihm einen Happen Essen gehen, doch vor den Restaurants stehen lange Schlangen. Essengehen am Freitagabend scheint beliebt! Wir landen bei unserem „Lieblingsitaliener“ – Toni mit der angenähten Nase. Inzwischen sind die Fäden gezogen und es sieht gar nicht mehr so schlimm aus, wir flirten ein bisschen mit ihm und er beäugt argwöhnisch unseren Begleiter. Als dieser heiße Milch bestellt, kann der Italiener nur grinsen: Dieser Kanadier schafft vielleicht den Grouse Mountain in den zackigen 50 min und verteilt auch oben auf dem Berg noch nonchalant seine Visitenkarten, ein „echter Mann“ ist er dennoch nicht. Mir bietet er hingegen einen Job als Kellnerin an – ich wäre hübsch genug.


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1. Oktober 2009
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Mittwoch, der 30. September
Nach all dem Sport in den letzten Tagen ist es Zeit für eine „Belohnung“, wie ich finde. Ich haue den 20-Dollar-Schein, den ich letzte Woche beim Spaziergang auf der Wiese gefunden habe, auf den Kopf, kaufe drei Tafeln Schokolade, eine Flasche Rotwein und das neueste Buch von Charlaine Harris: Man will ja schließlich wissen, warum man schwitzt!


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30. September 2009
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Dienstag, der 29. September

Neue Turnschuhe wollen ausprobiert werden. Also bin ich ins Community Centre „um die Ecke“ gepilgert. Das ist eine Art „Volkshochschule für Sport“, mit Gemeinschaftsgeldern gebaute Mehrzweckturnhallen in jedem Stadtviertel mit überaus bezahlbaren Sportkursen. Ich dachte, ich wäre im Aerobic-Kurs, es war Cardio-Gymnastik für die über-55-Jährigen. Wow! Shirley, Mary und Siboan nahmen mich sofort mütterlich in ihre Mitte und dann gings los: rechtes Bein hoch, linkes Bein hoch, Arme anwinkeln, Arme zur Seite, zwei Schritte nach links, zwei nach rechts und alles im Takt, bitteschön, und auf Englisch. Und Atmen nicht vergessen. Die 50 Rentner hatten ihren Spaß, ich nicht.
Dafür gab es am Mittag den ersten Schnee zu sehen: Die Regenwolken verzogen sich und die Sonne ließ kurz einen schneebedeckten Grouse Mountain aufblitzen.

Montag, der 28. September
Die Begeisterung für Sport hält trotz Kajak-Muskelkater an und deshalb pilgern wir zu einem der großen Sportausstatter. Das ist eine „Kooperative“ – man bekommt zwar keine großen Namen, dafür gute Ware. Hofften wir. Ich wollte Turnschuhe. Zielstrebig steuern wir also die Schuhabteilung an. Es gibt mehrere Regale. Und einen Verkäufer. Ich griff nach dem Sonderangebot, er mustert mich abschätzig und fragt, ob ich laufen wolle. Hm. Ja. „Wo?“ Tja, wo läuft man denn so? Es gibt Schuhe zum Walken, joggen, rennen, laufen, schnell laufen, Marathon Laufen, auf den Berg hoch laufen, den Berg wieder runter laufen, gar nicht laufen sondern Yoga machen. Es folgen minutenlange und sehr demonstrative Ausführungen des chinesischen Verkäufers, dann drückt er mir ein Paar superschicke und superteuere „Multifunktionsschuhe“ in die Hand – geeignet zum Rennen für kurze Strecken auf Zement und längere Strecken auf harten Untergrund wie Bergen oder ausgetrockneten Flussbetten. Ich kann mich nicht erinnern, schon jemals durch ein ausgetrocknetes Flussbett gerannt (!!!) zu sein, ich gehe da eher – mit Wanderschuhen. Ich bin überfordert von diesen Schuhen und stammle hilflos „Pilates“. Er guckte mich entgeistert an – in der Turnhalle trägt man doch völlig andere Schuhe. Und das hier sei ein Outdoor-Laden! Damit war für ihn das Thema beendet. Er dreht sich um und lässt uns stehen. Meine Freundin verdreht die Augen und will die Aktion abbrechen, ich, den Tränen nahe, ziehe sie verzweifelt in die Abteilung mit den Rucksäcken, wo wir uns ganz ohne störende Beratung einen aussuchen und die Kaffeepause des Schuhverkäufers abwarten. Kaum ist er weg, schnappe ich mir den kleinen südamerikanischen Kollegen, verrate ihm nicht, wofür ich die Schuhe will, sondern lasse mir nur alle Turnschuhe in meiner Größe bringen. Gewonnen! Er ist zwar etwas irritiert von meiner wortkargen Art bezüglich des Verwendungszweckes, berät mich aber in Bezug auf Passgröße und Komfort hervorragend – und ich habe ein Paar. Hurra!

Sonntag, der 27. September
Die Literaturszene lebt! An diesem Sonntag ist in Vancouver „Word on the Street“, eine kleine lokale Buchmesse. Fast alle „Buchmenschen“, die wir auf der gestrigen Party kennengelernt haben, lasen – und wir applaudieren enthusiastisch! Außerdem lernen wir nette Verleger kennen, werden zum Essen eingeladen und „knüpfen Kontakte“ – ich bekomme fast ein wenig sentimentale Sehnsucht nach Frankfurt. Einer der Verleger erzählt uns, dass die Buchmesse in Toronto in diesem Jahr erstmalig wegen mangelnder Beteiligung ausfällt. Bei dieser Literaturbegeisterung der kanadischen Leser kann man sich das kaum vorstellen – wahrscheinlich ist es jedoch der Dominanz des amerikanischen Marktes geschuldet (und auf einem einsprachigen Kontinent lohnt ja auch ein Lizenzmarkt nicht).

Samstag, den 26. September
Wir treiben Sport! Wir haben uns zum Kajakkurs angemeldet. Klar, Kajak bin ich auch in Deutschland schon gefahren, aber das war im Spreewald, das Wasser war nie mehr als hüfthoch und das Ufer erreichte man auch nach dem zweiten Bier noch locker. Hier paddelt man auf dem offenen Meer, untersteht der Canadian Coast Guard (der Küstenwache) und braucht nicht nur die richtige Ausrüstung, sondern sicher auch noch irgendein Zertifikat. Es war der letzte Paddelkurs im Jahr und das Wetter entsprechend kühl. Bei den Erklärungen am Ufer machte mir das nichts aus, als unsere vier Kajaks (ja, mehr waren wir nicht!) aufs Wasser hinausgingen, frischte der Wind kräftig auf. 14 Knoten (26 km/h), später waren es sogar 26 Knoten (52km/h). Eigentlich dürfen Kajaks nur bis 10 Knoten raus, aber, „hm, wir könnten ja in eine etwas windgeschützte Bucht gehen“, schlug die Lehrerin vor. Schließlich war es der letzte Termin in dieser Saison. Also schleppten wir tapfer unsere Boote in die nächste Bucht. Das uns jemand eine Sturmwarnung zu brüllte, ignorierten wir genauso wie die Drachenboote, die in dieser Bucht einen Wettkampf hatten. Wir übten Paddelschläge! Und davon konnte uns nichts abhalten, nicht mal die Küstenwache, die ab und an gekenterte Drachenboote oder stümperhafte Surfer aus dem Wasser zog und uns wie eine Meute hungriger Haifische umrundete. Spaß hat es gemacht!
Danach gab`s noch eine Party – mit echten Schriftstellern, kanadischen Burgern und chilenischem Rotwein. Von unserem „Abenteuer“ war allerdings niemand sonderlich beeindruckt: Rafting im Wildwasser, das ist echtes Adventure! Und wenn dann noch eine armdicke Giftschlange durchs Wasser gleitet …


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26. September 2009
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Donnerstag, den 24. September

Meine Freundin treibt Sport. Während ich zuhause am Computer sitze, mir Sorgen mache und mit professioneller Hilfe aus Deutschland Visitenkarten bastele, wirft sie Jungs auf die Matte und geht anschließend mit ihnen Bier trinken. Natürlich laden die Jungs sie ein. Zum Bier und zum PEARL JAM Konzert. Einer kennt den Gitarristen oder so und irgendjemand kann nicht und für das morgige, total ausverkaufte Konzert mit Ben Harper als Vorband gibt es plötzlich eine Freikarte. Sie stahlt. Ich weiß nicht so recht, was ich davon halten soll, und murmle, dass ich das nächste mal auch mit will. Klar, kein Problem, das nächste Konzert ist nächsten Mittwoch, da spielt dann der, der sie eingeladen hat. Der hat auch ´ne Band und ´nen Auftritt – und, ach so ja, mit den Chili Peppers ist er auch befreundet. Spielen DIE auch in Vancouver? Ich will auch mal Sport machen!!!


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