Vancouver

| 2. November 2009

Sonntag, den 1. November

„Are you here for THE event?“ (Seid ihr wegen DEM Ereignis hier?)
Heute Abend ist die Fackel mit dem olympischen Feuer in Tofino. Tofino ist eine Halbinsel auf Vancouver Island, und wohl der westlichste Ort an der Westküste des Pazifiks. Die Autobahn, die seit locker 100 Kilometern nur wenig mehr als eine gut geteerte Straße ist, endet hier und auf drei Seiten von Wasser umgeben gilt Tofino als DAS Surferparadis schlechthin. Die letzten Tage war ein großer, internationaler Wettkampf, den einer der Einheimischen gewann (O`Neil Cold Water Classic Canada).
Beim Bestaunen der Surfkünstler hören wir am Strand von anderen Touristen, dass die Straßen gesperrt sein sollen, und treffen auf einem der Strandparkplätze tatsächlich noch auf ein zweites Auto – es ist ein Kamerateam. Nach ein wenig Smalltalk verraten sie uns, dass die Straßen zwischen den Dörfern natürlich nicht gesperrt werden – die Fackel wird im Auto transportiert und für den kleinen Konvoi muss man nun wirklich nichts absperren.
Zurück in Tofino mischen wir uns „unters Volk“. Wir erfahren, dass am „Long Beach“ die Indianer die Fackel mit Trommeln und einem kleinen Fest weitergereicht hätten – genaue Informationen darüber findet man aber nirgends. Es gibt nur ein kleines Plakat mit den in Tofino selbst stattfindenden Events.
Am Nachmittag sind im Dorf Zelte aufgestellt und man hat das Gefühl, das halbe Dorf ist auf den Beinen – es sind vielleicht 200 Leute, die da so „rumstehen“. Es regnet und unschlüssig stehen wir dabei und werden zu heißer Fischsuppe eingeladen.
Gegen 17 Uhr geht das Programm auf der von VANOC extra aufgestellten Bühne los: eine Gruppe von First Nations spielt ein Lied auf ihren traditionellen Trommeln. Danach ist die Bühne fest in der Hand von VANOC: Der Moderator (diesmal gibt es einen!) bejubelt die Spiele und dann sind die Sponsoren dran: COCO-COLA schickt ein Animationsteam auf die Bühne (Drei Jungs trommeln und drei Sportler zeigen akrobatische Künste), RBC (Royal Bank of Canada) lässt einen Künstler live auf einer sich ständig drehenden Leinwand mit Sprühfarben das Fackelplakat von VANOC nachgestalten und eine kanadische Sängerin singt den Soundtrack einer Fernsehwerbung. An den passenden Stellen dröhnt laut der Jubel, wir haben am Nachmittag den Soundcheck gehört und wissen, dass diese Euphorie nicht von den Leuten um uns herum kommt.
Um 18.15 Uhr ist eine Fackelübergabe auf dem nahen Skateboardplatz – eine Eisschnelläuferin (die wohl auch schon Medaillen gewonnen hat) übergibt die Fackel an einen Skater, der mitten im Regen ein paar Runden auf dem Skateboard dreht und die Fackel dann an Emily übergibt. Emily, ein Mädchen aus dem Dorf, flitzt freudestrahlend auf die Bühne, wo sie rasch mit der Fackel das Feuerschalengefäß entzündet (das, was aussieht wie ein Rednerpult.) Das ist der große Moment!
Der Häuptling des ortansässigen Stammes spricht ein paar Begrüßungsworte, diesmal ist der Beifall echt. Dann reden die Politiker, ihr Reden sind wie immer vor allem eins: lang. Dann wird noch mal der Surfer (der Gewinner des Vortages, der die Fackel auch mal trug) auf die Bühne geholt – auch diesmal ist der Jubel echt. Obwohl vom Publikum mehrfach lautstark gefordert, bekommt er nicht das Mikrofon – augenscheinlich ist VANOC mit solchen Improvisationen überfordert. Die VANOC-Medienjungs gucken noch mürrischer als in Victoria, ansprechbar sind sie gar nicht mehr. Während auf der Bühne eine 12-Jährige die Nationalhymne und der ortsansässige Chor ein olympisches Lied singen, fotografiert das kanadische Fernsehteam die Eisschnellläuferin. Es sind Privatphotos, jeder von den Jungs darf das Mädchen mal in den Arm nehmen. Auf der Bühne wird das Feuer ausgestellt. Plötzlich ist es dunkel, morgen geht’s weiter.
Es regnet, und irgendwie sollten auch noch ein Feuerwerk und ein Fest im Gemeindehaus stattfinden. Das fängt aber erst um 20 Uhr an – und bis dahin gehen alle nach Hause, und wir holen uns eine Tiefkühlpizza im Supermarkt.
Am späteren Abend gehen wir auch noch mal ins Gemeindehaus – schließlich gibt es kostenloses Essen und live Musik. Ein Barde singt und die Fackelträger knabbern am geräucherten Lachs: Wir erfahren, wer sie sind: Die Frau vom Bürgermeister, der Urenkel der ersten Siedlerin, das Mädchen mit dem besten Abizeugnis. Ach, und ein paar Indianer waren wohl auch dabei. Ein Indianermädchen im weißen Fackelträgertrainingsanzug hab ich auf dem Dorfplatz gesehen – bei dem Fest im Gemeindehaus sind keine Indianer dabei.

Samstag, den 31. Oktober
Die Fackel mit dem olympischen Feuer ist in Nanaimo.
Wir hören im Radio die Verkehrsinformation über die Straßensperren, mehr nicht.


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