Vancouver

Bald wird es neue Texte geben. Ich verspreche es. Bald.


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17. Februar 2010
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Mittwoch, 17. Februar 2010

Wir werden von Vogelgezwitscher wach: Es ist Frühling. Zum Brötchenkaufen gehe ich kurzärmelig, die Jogger sind wie immer in kurzen Hosen unterwegs. Im Briefkasten liegen zwei Postkarten aus Deutschland: Da liegt ja Schnee! Wir reiben uns die Augen und stellen uns Winter vor. Dann ruft meine Freundin beim „Snowbus“ an und kauft entschlossen zwei Tickets für Whistler. Wir fahren da jetzt mal hin. Wenn die Gerüchte stimmen, kann man sich an die Seitenränder der Piste stellen und zugucken. Wenn man die richtige Abfahrt dahin erwischt …

Dienstag, 16. Februar 2010

Kanada hat 8 zu 0 im Eishockey gewonnen. Gegen Norwegen. Der Jubel ist verhalten – es wäre eine Enttäuschung gewesen, hätten sie verloren. Außerdem sehen wir die Snowboarder im Fernsehen – life sehen die ja nicht mehr viele Zuschauer: Die Stehplätze für die Zuschauer wurden gesperrt. Da ja schon lange kein Schnee mehr liegt, wurde Stroh aufgeschüttet, und mit irgendwas „Weißem“ (was vermutlich im Fernsehen hübsch nach Schnee aussah) überdeckt. Das Stroh bricht jetzt zusammen. Ha! Die Snowboarder stürzen einer nach dem anderen – der Kunstschnee alles andere als pludrig-pulvrig. Einer der Jungs vergleicht es mit „Da könnte man auch durch Kartoffelbrei rutschen.“ Hört sich nicht unbedingt nach Spaß an. Wenigstens sind die blauen Striche auf der Piste schön erkennbar. Die malt Zoltan, oder einer seiner Jungs. Zoltan ist eigentlich Regisseur (wir haben ihn auf einer Film-Party) kennengelernt und er gehört zu den 25.000 Freiwilligen, die aus Begeisterung die Spiele unterstützen. Oder aus Pragmatismus. Schließlich sieht er alle Rennen und hat einen Skipass für die Saison … und es gibt wirklich blödere Jobs, als blaue Striche auf eine Skipiste zu malen, wie er uns lachend erklärt.
Danach sehen wir Eiskunstlauf / Männer. Ich bin wütend – in der Halle gibt es noch viele freie Plätze. Ist Vanoc nicht einmal in der Lage, die Tickets unters Volk zu bringen? Wenn Sie für „Ehrengäste“ reserviert sind, sollten die wenigstens hingehen oder sie weiterverschenken. Meine Freunde lachen nur, über Vanoc regt sich hier niemand mehr auf – dass sich organisatorisches Missgeschick um Missgeschick reiht, verwundert nicht mehr. Wir kommen gerade von einem richtig guten Live-Konzert, bei dem wir aber leider fast die einzigen Zuschauer waren. Die Bühne ist nur mit viel Ehrgeiz zu erreichen – sie liegt auf dem eigentlich großen Place of Nations (Platz der Nationen) hinter dem BC-Place (das Stadium, in dem zeitgleich die Eishockey-Spiele laufen), das großräumig umzäunt und abgesperrt ist. Außerdem feiern die Asiaten mit vielen Buden und Ständen auf dem Platz Chinesisch Neujahr. Durch die muss man sich auch erst einmal durchwühlen, bis man dann zur Live-Musik kommt. Jedenfalls sind wir da und jubeln für „unseren Sänger“, einen guten Freund, – und das ist mehr, als die anderen Bands vorzuweisen haben, die dort im Stundenrhythmus spielen. Danach gehen wir alle ins Casino nebenan, natürlich nicht um zu spielen, sondern weil das Bier 2 Dollar und die Hotdogs nur 1 Dollar kosten. So lockt man Gäste an. Im „Speisesaal“, der aussieht und riecht wie ein Kino, läuft auf großen Leinwänden die Live-Übertragung der Eiskunstläufer (Meine Güte, fallen die Jungs oft hin!), ein paar Indianer tauschen Anstecknadeln und der Rest sitzt in Reihen in Kinosesseln und trinkt Bier. So wie wir. Irgendwann finden wir Bier in Plastikbechern trotz des Preises doof und ziehen in eine richtige Kneipe um. Sie ist belebt, aber nicht übervoll. Der Wirt erklärt uns, dass die Olympics ziemlich schlecht fürs Geschäft sind: Die Stammgäste bleiben zuhause und die anderen finden keinen Parkplatz: Konnte man sonst auf den Seitenstreifen der großen Straßen parken, ist das nun strikt verboten: Das sind alles Olympic-Spuren. Der Verkehr soll rollen! Ich kann versichern, das tut er: Ich habe noch keinen einzigen Stau gesehen, man wartet nie auf ein Taxi und alle Taxifahrer beteuern enttäuscht, dass sie bei weitem nicht ausgebucht sind … naja, vielleicht kommt er ja noch, der große Olympiaboom.


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16. Februar 2010
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Montag, 15. Februar 2010
Ich chatte mit einem Bekannten aus Deutschland. Er schaut zeitgleich die Originalübertragung der Wettkämpfe der Snowboarder im deutschen Fernsehen an. Ich überlege einen kurzen Moment, ihm zu erzählen, dass allein dafür, dass der KUNSTSCHNEE im Fernsehen so schön echt aussieht, eine Menge Geld ausgegeben wurde: Man hat ihn für unglaubliche 10 Mio Dollar BLAU färben lassen. Und wie viel hat der Transport bzw. die Erzeugung gekostet? Der Berg Cypress ist seit Mitte Januar wegen Schneemangels gesperrt – der Regen hat vor Wochen schon alles weggewaschen, jetzt sind locker 7 Grad plus und die Osterglocken blühen. Er will, glaub ich, davon nichts hören, sondern guckt nur auf die Loopings der Jungs. Der Chat wird recht schweigsam für eine Weile.
Währenddessen laufen vor dem Fenster der Bibliothek wieder Demonstranten vorbei. Eine weitere Anti-Olympics-Demonstration.
Aber davon wird im Fernsehen sicher nichts berichtet werden …

Sonntag, 14. Februar 2010

Wir sitzen am Strand – im T-Shirt. Es ist warm genug. Die Kinder spielen am Wasser, die Möwen schreien. Wintersport? In dieser Stadt? Ich ziehe meine Schuhe aus.

Wir überlegen trotzdem, nach Whistler zu fahren. Unsere kanadischen Freunde zucken ängstlich zusammen. Die Straßen sind gesperrt! Whistler ist gesperrt! Nirgendwo ein Durchkommen! Die „Panikmache“ von Vanoc hat also gewirkt – alle bleiben zu Hause. Doch es stimmt nicht – ich telefoniere mit Vanoc. Die freundliche Frau erklärt mir geduldig, dass die Straßen nur stundenweise gesperrt bzw. mit Permit (Erlaubnis) passierbar sind, und der ganze Berg Whistler ist offen – also, natürlich bis auf die Pisten, auf denen gerade die Wettkämpfe stattfinden. Und da ja alle Welt dahinguckt, dürften die andern schön leer sein. Ich wachse meine Ski – allein, es sind 6 Grad plus in Whistler und die gestrigen Wettkämpfe sind wegen Regen ausgefallen. Sollen wir da wirklich hinfahren?

Samstag, 13. Februar

Ich wache auf, weil über der Stadt Kampfhubschrauber kreisen. Dazu immer wieder, wie auch in den letzten Tagen, Kampfflugzeuge.
Zu wissen, dass für die Sicherheitsvorkehrungen während der Olympischen Spiele über 100 Mio Dollar ausgegeben werden, verdirbt mir die Laune. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Kulturfonds für die nächsten Jahre um 90 % gekürzt werden, Schulgelder etc. ebenfalls gestrichen. Für diese Spiele wird das Land bitter bezahlen.

Im Fernsehen wird über die ersten Ausschreitungen berichtet. Ich erkenne die Reggaemusiker von der Granvillestreet wieder (und gucke neugierig, ob ich auch auf den Fernsehbildern zu sehen bin). Offensichtlich gehörten sie doch zu den Protestanten. (Hey Jungs, schaut euch mal Kreuzberger Randale an!). Außerdem scheinen ein paar Scheiben bei einem der großen Souvenirläden (Hudson Bay, eine große Kaufhauskette) eingeschlagen worden zu sein. Dafür all die Aufregung?

Mein buddhistischer Freund erzählt mir, dass er zwar auch gegen die Spiele ist und die Protestierenden verstehen kann, aber man darf keinen Groll im Herzen hegen. Man soll gütig und nachsichtig sein … sagt Buddha.
Ich versuche, zu verstehen.

Freitag, 12. Februar 2010

Ich wage es und gehe „downtown“ – Heute sind zwar die Eröffnungsveranstaltungen der Olympischen Spiele, aber es läuft auch eine Leonardo da Vinci Ausstellung. Die anatomischen Zeichnungen. Ich bin mit zwei Schriftstellern verabredet – und warte 40 Minuten auf sie. Und zwar neben einer langen, langen Eintrittsschlange. Wo kommen die ganzen Leute her – und wo wollen sie hin? Als ich durchgefroren bin, gebe ich auf und gehe in die Eingangshalle, um mich aufzuwärmen. Dort plaudere ich mit einer der Damen vom Souvenirshop. Sie erzählt mir, dass die Preise für die Eintrittskarten bei 4000,00 Dollar liegen (pro Stück) und man in Whistler 6.000,00 pro Nacht bezahlen kann. Also, ihr Bekannter verlangt so viel für seine Hütte. Wir lachen, wundern uns über die vielen Touristen, die bereits angereist sind, und überlegen, ob die kanadische Eishockey-Mannschaft wohl gewinnen (wir hoffen es beide). In dem Moment tauchen meine beiden Freunde auf – sie haben auf der anderen Seite des Museums auf mich gewartet. Eine gute Stunde später als geplant besuchen wir nun hungrig und schlechtlaunig die Ausstellung (die leider auch etwas enttäuschend ist) und gehen anschließend Kaffee trinken. Es ist kein Problem, irgendwo einen Platz zu finden, überfüllt ist hier nichts. Dafür sind viele Straßen abgesperrt und Unmengen an Sicherheitsleuten laufen umher. Wir beschließen, uns unters „Volk“ zu mischen und wollen ins „Auge des Sturmes“ pilgern. Moment, welcher Sturm? Wir sehen die Bildschirme des kanadischen Fernsehens – sie zeigen Straßen voller Menschen. Es ist am Robson Square, da stehen wir auch. Hier tobt also die Menge. Gut. Wir schlendern weiter. Nach 500 m dünnt sich die Menge aus, von jubelnder Meute nichts mehr zu spüren. Wir versuchen es noch nördlich, südlich und westlich vom Robson Square, dann haben wir alle Richtungen durch. Klar, es sind viel mehr Menschen als sonst auf den hier ja eher leeren Straßen und man hat endlich einmal das Gefühl, durch eine belebte Stadt wie, sagen wir mal München oder Berlin an einem normalen Donnerstag Nachmittag zu laufen, mit richtiger Kameraeinstellung sieht es definitiv anders aus. Wir sehen die Kameras, wir sehen das Fernsehteam – und wie alle winken auch wir brav lächelnd. Dann bekommen wir jeder eine Tasche bzw. eine Mütze geschenkt.
Daneben stehen die Anti-Olympics-Demonstranten. Sie sehen aus wie Studenten – und sie würden in jeder anderen Stadt nicht sonderlich auffallen. Hier wird großräumig um sie herum abgesperrt. Wir laufen eine Weile mit dem Zug mit, dann entscheiden wir uns für eine andere Route. Auf der Granville Street sehen wir wieder eine Handvoll „Künstler“, sie tragen bunte Klamotten, Rastezöpfe, Batiktücher – defintiv nichts mit Kanada-Emblem wie die üblichen Touristen. Sie machen Musik und wir bleiben stehen: Sind das etwa auch Protestler? Sie spielen Reggae und wir wippen mit.

Als ich nach Hause komme erwartet mich meine Freundin mit drei Tickets zum Ballett. Normalpreis je 40 Dollar, sie hat sie von einem der Wachmänner geschenkt bekommen. Offensichtlich hat man Angst, dass die Veranstaltung leer bleibt. Das wäre peinlich, schließlich kommt ja sogar die kanadische Premierministerin (General Governor) zur Vorstellung. Also rufen wir schnell eine Freundin an (für die 3. Karte) und eilen zur Veranstaltung. Doch, Mist – vor uns wird erst einmal die Olympische Fackel über die Straße getragen. Das Olympische Feuer, dessen Entzündung wir am 30. Oktober in Victoria gesehen habe, ist nun auch vor unserem Haus. Schön! Blöd nur, dass nun kein Bus fährt. Wir fluchen, und laufen zur anderen Bushaltestelle. Geduldiges Warten ist nicht meine Stärke, also frage ich die anderen Wartenden. Eine Frau sagt, dass sie schon über eine Stunde hier steht, aber an einem Taxi ist sie nicht interessiert. Wir fragen einen Mann. Wir überreden ihn, ein Taxi zu rufen, aber es scheint aussichtslos, eins zu kriegen. Also laufen wir los. Es regnet, mir ist kalt und wir sind spät dran. Plötzlich hält ein Taxi neben uns – es sind unsere „Freunde“ von der Bushaltestelle und sie nehmen uns mit. Sie bringen uns zum Skytrain (eine Art U-Bahn) und natürlich zahlt der Mann, wir geben ihm unsere Visitenkarte und laden ihn zum Kaffee ein. Zum Ballett kommen wir zwar zu spät, aber noch hat die Veranstaltung nicht angefangen – also, pünktlich genug.

Wie wir später erfahren, sind die Häuptlinge zur Eröffnungsveranstaltung auch „nach indianischer Zeit“ gekommen. Irgendwann standen sie dann auch mit auf der Bühne. Ist das eigentlich jemandem aufgefallen?

Der erste Sportler ist tot.
Geredet wird nicht darüber. Die Stadt feiert sich.

Donnerstag, 11. Februar 2010
Ich fahre mit dem Bus ins Stadtzentrum. Ich warte lange. Es scheinen mehrere auszufallen. Der erste Bus, der kommt, ist überfüllt und nimmt keine weiteren Passagiere mit. Der zweite Bus ist leer wie immer. Eine Frau fragt den Busfahrer, ob es während der „Olympics“ veränderte Fahrpläne geben wird. Er zuckt die Schultern. „Bleibt alles wie gehabt.“ Herzhaftes Gelächter im ganzen Bus.


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7. Januar 2010
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Mittwoch, der 06. 01. 2010
Hocke wieder bei Starbucks, trinke Kaffee und bin 2 Stunden online. Natürlich auf Facebook, wo sonst. Entdecke die Chatfunktion und „plaudere“ mit einem Freund aus der Heimat. Parallel fragt einer der neuen Facebook-Freunde per Chat an, ob wir uns treffen. Ja. Wir verabreden uns zum Lunch (Mittagessen). Und nun steht auch noch Georgio, die „Silvesterbekanntschaft“, hinter mir und redet auf mich ein. Ich hab die anderen beiden Jungs im Kopf und versuche ihn mit einem „whatever“ (was auch immer) freundlich abzuwimmeln. Er lädt mich zum Abendessen ein. Überfordert fliehe ich an den heimischen Schreibtisch.

Dienstag, der 05. 01. 2010
Ich schließe mich dem kanadischen Hobby an und bastel mir auf das Drängen einer neuen Freundin hin eine Seite auf Facebook: Innerhalb von 2 Stunden verliere ich meine Medienunschuld und habe 16 neue Freunde. Auf Facebook. Bin überwältigt.


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5. Januar 2010
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Montag, 04. 01. 2010
Wir machen einen Spaziergang am Strand vor dem Haus und laufen zum Marine-Museum. Dort staunen wir nicht schlecht: Mitten in Vancouver sitzt ein großer, stolzer Weißkopfseeadler auf dem Totempfahl der Ureinwohner.
Genauso ungerührt wie der Adler sind jedoch auch die Vancouverites: sie joggen ungerührt vorbei und wundern sich höchstens, warum wir andächtig nach oben schauen.

Donnerstag, 31. 12. 2009
Noch einmal Silvester (New Years Eve)
Während in Deutschland bereits die Korken knallen, ist bei uns noch zeitiger Nachmittag und ich sitze im Starbucks und schreibe Mails. Doch immer, wenn mich ein Anflug von „Jahresendzeitmelancholie“ anhaucht, spricht mich einer meiner Nachbarn an: Zunächst Georgio, der mir sofort versichert, wie aufregend er mich und Obama findet und der der Welt um uns herum immer wieder Passagen aus der Zeitung vorliest, dann Mack, der mir auf meine Bemerkung hin, dass ich gerne Frisbee spiele, sofort einen „boyfriend“ unterstellt und darüber traurig ist. Ich beschließe, dass nicht zu kommentieren und trinke einen zweiten Kaffee.
Am Abend gehen wir zu einer richtig guten Party, lernen viele neue englische Wörter und erfahren, dass Böllerei in Kanada nicht zur Silvestertradition gehört. Wir schauen aufs dunkle Meer und um uns herum bleibt alles ruhig. Einzig im Fernsehen werden Silvesterfeuerwerke übertragen – fast überall auf der Welt ist Mitternacht bereits vorbei, wir sind mit die letzten (naja, und auf Haiti kann man noch später feiern).
Außerdem lernen wir einen neuen Beruf kennen: Eine „Bärenbändigerin“. Die Dame ist locker über 50, wirkt eigentlich unscheinbar bis auf ihren silvesterhaft-exzentrischen Kopfputz (sie hat ihrem Papagei ein paar Federn ausgerupft) und man kann sie anrufen, wenn man einen Bären im Hinterhof hat. Sie kommt dann und beruhigt zuerst den Bären, dann die Menschen (oder andersherum) und lockt danach den Bären in den Wald zurück.

Mittwoch, 30.12. 2009
Silvester I (New Years Eve-Eve)
Während meine Freundin am Schreibtisch sitzt und arbeitet, gehe ich im Irish Pub zur Silvesterparty. Eine irische Lifeband spielt, der Countdown bis Mitternacht wird gezählt und pünktlich knallen die Sektkorken. Ich tanze mit zwei netten Mädels, ein paar andere neue Freunde sitzen am Tisch. Die Mädels sind Ende 20 und lustig betrunken, und irgendwie erinnert es mich an Studentenfeten. Doch sie sind beide verheiratet und haben jede drei Kinder. Ich versuche sie mir in ihrem Alltag als „Muttis“ vorzustellen. Klappt nicht, die Eine ist „instructor“ fürs sex toys.

Dienstag, der 29.12.2009
Party
Während ich mit einem buddhistischen Kranfahrer aus dem Vancouveraner Hafen über Meditationskloster in den Rocky Mountains plaudere, unterhält sich meine Freundin mit einem Ex-Armee-General. Er war als Kind (kurz nach dem Krieg) in Deutschland und wünscht sich von uns das Buch „Struwwelpeter“. Ich mische mich ein und meine, er könne es sich doch über Amazon bestellen, kein Problem. Das könnte er schon, aber er fände es schöner, wenn meine Freundin das für ihn täte. Sie geht darauf ein und fragt, was er als Gegenzug biete – hat er eine Jacht? Ein Pferd? Ein Haus? Er hat ein Waldhaus (können wir im Sommer für den Paddelurlaub haben) und selbstgeschossenes Rentierfleisch. Eine Handvoll Steaks, und das mit dem Buch geht klar.
Dazwischen kommen die Mädchen aufgeregt gackernd aus dem Schlafzimmer gerannt. Während sie dort letzte Geheimnisse austauschten, hat es laut gegen das Fenster geklopft – aber es war niemand zu sehen. Ganz klar, es war der Geist des Hauses! Für den Rest des Abends werden Geistergeschichten ausgetauscht, und wir sind wohl die Einzigen, die nicht daran glauben.

Sonntag, 27.12.2009

Beim Spaziergang entdecken wir drei weiße Tulpen, die mit einer roten Schleife an einer Bank festgebunden sind. Sie sind steif gefroren vom Frost. Aber was haben sie zu bedeuten?

Samstag, 26.12.

Kanadier feiern nur 2 Tage Weihnachten. Während man in Deutschland an den Feiertagen noch gemütliche Stille (oder so was ähnliches) genießt, tobt hier der Bär in den Geschäften: Es ist Boxing Day und alle Läden locken mit einer gigantischen Rabattschlacht. Wir entdecken ein neues Shopping-Revier: Main Street, zwischen 10th und 21th. Schöne Läden, nette Preise, und der schwule Verkäufer berät die Mädels mit ihren viel zu kleinen Cocktailkleidchen. Als wir um unsere Meinung gebeten werden, weise ich dezent auf die auffallend vorgebeugte Haltung hin – ich finde, in solchen Kleidchen sollte frau aufrecht stehen. Entsetzt weißt mich die eine darauf hin, dass dann ihre Brüste herauskullern würden. Das Kleid gefällt ihr aber trotzdem!
Ich versuche, mich vor weiteren Beratungskommentaren zu drücken und kaufe einfach nur eine Wollmütze.

Freitag, 25.12.

Es galt als Geheimtipp, dass die Kanadier sich am 1. Weihnachtstag mit prall gefüllten Socken, die vom Kamin hängen, bescheren und so mit dem Auswickeln der Geschenke beschäftigt sind, dass die Hausberge von Vancouver still und verlassen seien. Das mag vor Jahren so gewesen sein, in diesem Jahr tummeln sich Chinesen, Japaner, Koreaner, Inder und Deutsche auf den Bergen und die Pisten sind voller denn je.
Auch wir wagen uns zu einem Schneespaziergang in die weiten Wälder und wie immer sind meine Freundin und ich mit einem Rucksack voller Proviant ausgestattet, auch wenn wir inzwischen die Imbissbuden auf der Route kennen. Unsere kanadischen Begleiter haben nichts dabei. Also erzähle ich von unseren Vorräten – Käsebrote, Äpfel, Schokolade. Einmal. Zweimal. Als ich zum dritten Mal aushole, interveniert meine Freundin und drückt unserem kanadischen Freund einfach ein Käsebrot in die Hand. Er ist blass und läuft den Berg ohne Frühstück hinauf. Am Abend bezeichnet er unser Gespräch als „silent suffering“ (stilles Leiden). Ich vermeinte, meine ausgeschmückte Schilderung unserer Köstlichkeiten wäre ein klares Angebot an ihn, tapfer zu zugreifen. Er meint, Kanadier wären höflich – sie greifen nur dann zu, wenn man es ihnen ausdrücklich anbietet. Wir haben beide etwas gelernt.

Donnerstag, 24.12.
Weihnachten
Während man in Deutschland schon unter dem Weihnachtsbaum sitzt und Geschenke auswickelt, machen wir einen sonnigen Spaziergang am Strand. Auf dem Rückweg sammeln wir ein paar Tannenzweige und gehen noch kräftig einkaufen. Von Weihnachtstress ist nichts zu spüren.
Am Abend gibt es eine Party der „Weihnachtswaisen“ – Ausländer ohne Familienanschluss wie wir treffen sich zum gemütlichen Essen. Es gibt gebratene Süßkartoffeln, mit Lachs gefüllte Pilze, Kürbissuppe, Pizzabrot, Feldsalat und kanadischen Rostbraten.
Meine Kürbissuppe wird am meisten von einem jüdischen Ehepaar gelobt, die längere Zeit in einem indischen Meditationszentrum lebten. Der Mann hat 1949 Deutschland als Zweijähriger verlassen, und ich frage mich einen kurzen Moment, ob man sich damals wohl hätte vorstellen können, dass er als Jude 60 Jahre später mit einer Handvoll Deutschen in Kanada Weihnachten feiert. Wir stoßen einfach mit Sekt an und singen ein paar deutsche Weihnachtslieder. Schade nur, dass der Kanadier mit der Gitarre in der Hand definitiv andere Melodien im Kopf hat…

Dienstag, 22.12.2009
Die erste Weihnachtsparty – die Saison geht los
Wir wissen nicht so recht, was uns erwartet und stehen pünktlich um 7.30 Uhr mit unseren drei Bierflaschen (man bringt seine Getränke selbst mit) und ein paar deutschen Lebkuchen vor dem Haus des Gastgebers. Wir sind die letzten Gäste. Die Beinah-Fast-Könnte-sein-Freundin des Gastgebers lümmelt im kurzen Kleid und mit dünnen Netzstrümpfen, dafür mit handfester Erkältung dekorativ vor dem Kamin und erzählt mit heißerer Stimme Geschichten aus „ihrer Jugend“ (sie ist Mitte 20) – z.B., wie sie in der East Hastingsstreet eines Nachts ein Taxi nehmen wollte und der Taxifahrer ihr anbot, sie für „gewisse Dienste“ zu bezahlen (was bei ihr pures Entsetzen auslöste) und wie sie als Verkäuferin mehrfach erlebte, wie der Laden ausgeraubt wurde. Jetzt arbeitet sie als Lehrerin.
Dann kommen die Schriftsteller zu Wort. Fast alle haben noch einen Nebenjob als Kellner und sie klären uns auf, warum man mindestens 15 %, besser noch 20 % Trinkgeld geben sollte: 5% des Umsatzes werden automatisch vom Trinkgeld abgezogen und an das im Hintergrund arbeitende Personal verteilt. Gibt man also gar kein Trinkgeld, legt der Kellner am Ende seiner Schicht drauf. Gibt man 5 % macht man ein „Statement“, dass man die Spielregeln kennt, die anderen bezahlt, aber mit dem Service unzufrieden ist. 10 % bedeuten 5 % für den Kellner, das ist in Ordnung aber eigentlich angesichts der mickrigen Löhne im Servicebereich sehr mager. Bei 15 % bis 20 % Trinkgeld bleiben 10 % bis 15 % für den Kellner, der einen dann auch gern wieder bedienen wird.


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21. Dezember 2009
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Samstag, den 19. 12. 2009

Es ist Freitagabend, und wir wollen tanzen in Vancouver. Abenteuerlustig klicken wir uns online durch Georgia Straight, ein Veranstaltungsmagazin. Ganz in der Nähe gibt es einen Club, der Weltmusik spielt. Auf den ersten Blick liest es sich wie „Russendisco“ in Deutschland. Die Musikproben auf der Website klingen wirklich nicht schlecht. Allerdings beginnt der Abend mit einer 30-minütigen Meditation (Kundalini), getanzt wird barfuß und zu trinken gibt es nur reines Quellwasser (man darf sich aber auch sein eigenes Wasser mitbringen). Alkohol und Zigaretten sind verboten. Hm. Russendisco bei Kaminer sah irgendwie anders aus.
Wir gehen dann doch lieber drei Ecken weiter zum Jazzabend.
Am Morgen können wir dann ohne Kater auf Cypress hinauffahren. Wir leihen uns Langlaufski und drehen fleißig unsere Runden. Allerdings ist der Schnee schwer und nass, oftmals auch verreist, und den falschen Abzweig auf die Profi-Piste muss ich mit vielen blauen Flecken büßen. Voller Achtung schaue ich Richtung Abfahrtspisten. Die sind noch viel steiler. Und ich weiß: Ohne weitere Instruktionen trau ich mich da nicht hin.


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18. Dezember 2009
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Freitag, den 18.12. 2009
„You can`t always get what you want,
but sometimes, if you try,
you might get what you need.“
Rolling Stones. Das war schon meine Hymne während des Studiums, ich summe sie wieder: Keine Antwort vom Skilehrer. Dabei starre ich seit Tagen mit tiefen Blicken meinen Rechner an. Sonst war er doch auch immer schnell?
Okay, lassen wir das mit dem Abfahrtsski, zumindest für diese Woche. Wir verabreden uns mit unseren kanadischen Freunden zum Rodeln. Außerdem haben wir uns die Loipen für Langlauf herausgesucht und die Trails zum Schneeschuhlaufen. Das Wochenende soll sportlich werden!

Donnerstag, den 17.12.2009
Keine Antwort vom Skilehrer. Aber ein Brief mit Weihnachtsgrüßen vom Ex-NOK-Präsidenten. Er fand unseren Pflaumenkuchennachmittag im Sommer auch nett. Beglückt hänge ich die Karte am Kühlschrank auf.

Mittwoch, den 16.12.2009
Keine Antwort vom Skilehrer.

Dienstag, den 15.12.2009
Wieder in Vancouver. Auf den Straßen liegt Schnee. Er ist zwar bereits am nächsten Morgen weggetaut, aber die Sehnsucht ist sofort da: Ich schreibe dem Skilehrer eine Email. Und dann schlafe ich meinen Jetlag aus.

Freitag, den 11.12.2009
Wieder eine Email vom Skilehrer: Wann gehen wir Skifahren? Ich bin in Deutschland und die Berge sind weit weg. Mein bester Freund warnt mich: Wenn der Skilehrer mich ein „sportliches Naturtalent“ nennt, dann hat er mit Sicherheit nicht auf meine Bewegungen geachtet sondern nur in meine Augen geguckt. Deckt meine Krankenversicherung Sportunfälle ab?

Freitag, den 4. 12. 2009
Der Skilehrer winkt ab – ohne gründliches vorheriges Anpassen darf man keine Skistiefel kaufen. Das übernähme er für mich, er will meine Füße vermessen und die richtigen Schuh für mich heraussuchen, verspricht er per Mail. Okay, keine hektische Internetbestellung also.

Donnerstag, den 3. 12. 2009
In Deutschland erzähle ich Freunden von unserer Schnee- und Skibegeisterung. Sie holen Wein aus dem Keller – und finden dort auch die Skistiefel meiner Freundin. Wir hatten sie bei ihnen eingelagert. Neidisch packe ich sie ein.
Die Freundin sucht mir ein günstiges Angebot für Skistiefel aus dem Internet. Ich leite den Link an den Skilehrer weiter.


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2. Dezember 2009
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Dienstag, der 1. Dezember
5 Emails später: Der Skilehrer wird mit den VIP-Gästen während Olympia Heli-Skiing machen. Das will ich auch!!! Er verspricht es mir für das Ende der Saison … und will zunächst noch weiter mit mir auf Cypress üben! Ich bin begeistert und ändere spontan sämtliche Urlaubspläne (…ach, was Kalifornien! Skifahren: Banff, Lake Louise, Whistler!). Meine Freundin legt dezent den Kontoauszug auf den Schreibtisch. Okay. Wir reden noch mal drüber.
Falls aber jemand Abfahrtsschuhe in Größe 40 hat – meldet euch! Ich bin die nächsten 10 Tage in Deutschland…

Montag, der 30. November
Wieder zuhause in Vancouver – und ich träume vom Berg. Die Abfahrten von Cypress sehe ich vom Schreibtisch aus. Leider reichen weder mein Können noch mein Selbstbewusstsein aus, um mich schon alleine auf den Berg zu trauen. Hm. Aber der Skilehrer hatte mir doch seine Visitenkarte gegeben….

Sonntag, der 29. November
Skischule. Meine Gebete wurden erhört, es sind nur 2 Amis dabei und der Skilehrer ist ein unglaublich netter, sympathischer, kompetenter Engländer. Ich mag ihn vom ersten Moment an.
Einer der Amis erkundigt sich schon in der Gondel, wann er denn „nun endlich“ Heli-Skiing machen kann. Hat er im Fernsehen gesehen. Am Berg schnallt er nach 5 m entnervt seine Ski ab – wir sind zu schnell für ihn. Der Skilehrer bringt ihn in einen anderen Kurs. Der zweite Ami fragt den Skilehrer, ob er ihm die Ski abkaufen kann – der Lehrer hat eine gute, solide Profiausrüstung und nach dem Kurs, so der Ami, braucht er die auch. Er war am Vortag auf dem Berg, und zwar ganz oben. Von dort ist er dann runter gefahren. Und das muss ein ziemliches Desaster gewesen sein (deshalb auch der Kurs!). Er stammt aus Kalifornien und es war sein 2. Tag im Schnee. Er wurde wohl auch mehrfach von der Bergwacht aufgegabelt und gefragt, ob alles in Ordnung sei oder ob er Hilfe brauche – aber als „echter Mann“ hat er das natürlich abgelehnt. Am Skilift hören wir noch mehr Geschichten von Leuten, die das 1. Mal im Schnee stehen und zwar mit Ski und ganz oben. Mit aufmerksamem Blicke sehe ich die Rettungswacht auch viel öfter als am Vortag. Sie tragen verunglückte Skifahrer vom Berg…

Mich beschleicht so langsam ein mulmiges Gefühl: Das Spannende an den Abfahrten in Whistler scheinen weniger der Berg und der Schnee zu sein, sondern die vielen Touristen aus sonnigen Ländern, die ohne entsprechende Ausrüstung und Erfahrung einfach mal runter brettern.

Samstag, der 28. November
Natürlich regnet es als der Wecker klingelt. Wir üben uns trotzdem in Optimismus und fahren in die Berge. Weiter oben wird der Regen zu Schnee und die Aufregung zur Vorfreude. Der Schneeschuhkurs ist dann allerdings doch eine Enttäuschung: Von den 6 Teilnehmern sind 4 Amis – und sie haben noch nie Schnee gesehen und bleiben nach jedem Schritt atemlos stehen. Eine Frau gibt nach etwa 10 m auf – es ist zu anstrengend für sie. In den anderthalb Stunden schaffen wir etwa 700 m. Der Guide wartet mit uns an jedem zweiten Baum auf den Rest der Gruppe…

Freitag, der 27. November
Kneifen gilt nicht, also versuche ich tapfer, meine aufkommende Furcht vor dem hohen Berg im Rotwein zu baden. Wir sind bei einer Illustratorin eingeladen (sie hat unseren Vortrag gehört) und was als „Kaffee & Kuchen“ geplant war, endet als mehrgängiges Abendessen: Sie ist eine Italienerin und wir sind im Schlaraffenschlemmerland.

Donnerstag, der 26. November

Dass die Kanadier einen Hang zum Spielerischen haben, hatten wir schon gemerkt: Keine Theaterveranstaltung ohne Verlosung, kaum ein Kinofilm ohne Mitmachaktion.
Warum sollte das also beim Buchen einer Reise anders sein?
Wir sind auf der Homepage von Whistler und suchen ein Hotel. Wenn man sparen will, kann man nach „Preis“ entscheiden und erfährt den Namen des Hotels erst, wenn man bucht. So kann man zum moderaten Preis im 4-Sterne-Etablissement landen. Wir bleiben in einer deutlich niedrigeren Kategorie, landen aber zum schnuckligen Vorsaisonpreis um Top-Wintersportort Whistler. Und weil`s Hotel so günstig ist, buchen wir gleich noch einen Schneeschuh- und einen Skikurs dazu.
Am Abend bekomme ich dann doch ein bisschen Panik: Ich bin noch nie Abfahrtski gefahren. Am Olympiaberg Skifahren lernen, ob das so eine gute Idee ist?


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18. November 2009
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Dienstag, 17. November
6 x Curling für 1 Ticket Eiskunstlauf.
Im Internet fängt die Tauschbörse an zu rotieren. Ich klicke noch einmal auf die Vanoc-Seite. Für Curling bekommt man immer noch offizielle Tickets.
Außerdem, so kursiert plötzlich das Gerücht unter Insidern, soll es im Januar, wenn die von Vanoc angekündigten drei Verkaufsphasen abgelaufen sind, noch einen richtigen Ticketverkauf geben. Mit Schalter und so.
Ob dann wohl die Tickets zu all den Veranstaltungen, die „derzeit nicht verfügbar“ sind, verkauft werden? Werden wir herausfinden, wo dieser Schalter ist? Und wann er geöffnet hat? Und wird Vanoc wieder seine Finger im Spiel haben?
Die Winterspiele 2010, so wird immer deutlicher, sind nicht nur ein Event für qualifizierte Sportler, sondern auch nur für qualifizierte, begeisterte Zuschauer geeignet, die sich von nichts abschrecken lassen!

Montag, 16. November
Im Radio lästert der Moderator über den Ticketverkauf. Er hat auch Tickets ergattert und wird das Eishockeyspiel der Männer Bulgarien gegen Weißrussland sehen. Er kennt beide Mannschaften nicht. Aber immerhin konnte er sich für dieses Spiel (das einzige, für das er Karten bekommen hat!) selbst entscheiden – in Phase 1 wurden die Tickets verlost!
Zuhörer berichten, dass sie Stunden im „Warteraum“ der Webseite verbracht hätten. Sie ist öfter zusammengebrochen, auch während der Bestellung oder bei der Abwicklung des Kaufes. Manche haben wohl 7 Stunden ausgeharrt bis sie zur Bestellung „durchkamen“ – und dann wurde ihre Visa-Karte nicht akzeptiert…
Vanoc verkündet auf seiner Webseite, dass der Ticketverkauf Phase 3 reibungslos ablaufe.

Sonntag, 15. November
Beharrlich versuche ich erneut, Tickets für die Olympischen Spiele 2010 zu kaufen. Mein Name wird abgelehnt, stundenlange Versuche und ich habe keine Chance, mich auf der Webseite von VANOC zu registrieren. Zum Glück steht meine Freundin hinter mir, wir versuchen es mit ihrem Namen. Es klappt! Wir sind drin! Doch das Ticketparadies ist klein und sehr überschaubar: Es gibt Tickets für Eishockey und Curling. Wir entscheiden uns für Eishockey und schlagen zu.
Die Tickets sind bezahlbar, fast billig (jedenfalls billiger als die Tickets für die Saisonspiele der Lokalmannschaft!). Dann folgt das Kleingedruckte: Lieferung: kostet 16 Dollar extra, Tickets im Farbausdruck: 20 Dollar extra… Wir wollen keine Souvenirs, sondern einfach nur Eintrittskarten, und wir holen sie auch selbst ab.

Sonnabend, 14. November
Wir machen einen Ausflug. Harrison Hot Springs. Als ich letzten Sommer Reiseberichte von Deutschen in Kanada gelesen habe, die 200 km zum Lieblingsbadesee gefahren sind, habe ich mitleidig gelächelt. Albern! Jetzt revidiere ich meine Meinung. Die Entfernungen sind hier wirklich andere. Wir fahren knapp 150 km zu heißen Thermalquellen…
Vor Ort entscheiden wir uns spontan noch für eine Schiffstour auf dem Harrison River. Eine Mutter mit ihren drei Kindern und wir sind die einzigen Gäste – es ist familiär, der Preis reduziert und die Getränke sind frei. Keine Saison für Touristen, Hochsaison für die Lachse. Die laichen. Und dann sterben sie. Gefundenes Fressen für die Adler, die von Alaska herunterkommen, um hier zu überwintern. Wir sehen hunderte, ungelogen. Dazu Gänse, Kraniche, Seehunde, Biber… Der Höhepunkt ist ein Schwarzbär. Auch er fischt am Ufer nach Lachsen.

Donnerstag, 12. November
Es regnet, es ist kalt und meine Freundin hat einen Termin. Sie flitzt zum Auto – und das ist weg! Panikanfall, Schweißausbruch, Hektik. Wir überlegen. Sie fährt mit dem Taxi zu ihrem Termin, ich rufe einen unserer kanadischen Bekannten an. Er schließt Diebstahl sofort aus, ganz klar – es war die Stadt! Begrüßungsgeschenk für alle Neuankömmlinge: Mindestens einmal wird das Auto abgeschleppt. Kein Grund zur Panik, willkommen in Kanada. Wir haben zu nah am Hydranten geparkt ….
Eine Stunde später habe ich das Auto zurück, die nächsten zwei Wochen gibt es keinen Nachtisch, die Stadtverwaltung fordert ihren Tribut. Ich fange an, alle Kanadier nach den Parkregeln zu befragen. Jeder kennt eine andere Regel – und sie sind alles anders als in Deutschland!

Mittwoch, 11. November
Bier im Pub und neueste Infos zur Bärenjagd: Kanadische Männer, so erfahren wir, tragen beim Zelten in freier Wildbahn selbstleuchtende Schlafanzüge. Das vertreibt die Bären, wenn man dann nachts mal raus muss. Oder so.

Dienstag, 10 November
Vier Mails mit Dank für unseren Vortag, weiteren Fragen und Einladungen zum Kaffee. Ich glaube, wir habens ganz gut gemacht!
Am Abend Treffen der „Literaturszene“ in der Hoycroft-Mansion (Villa Hoycroft). Kinder- und Jugendbuchschriftsteller stellen ihre neuesten Werke Lehrer, Bibliothekaren und Buchhändlern vor. Die Titel wurden vorher vom Verband ausgewählt, jeder hat 90 sec Zeit für die Vorstellung. Kurz & bündig, und am Ende raucht der Kopf.

Montag, der 9 November
Ich flattere vor Aufregung. Wir halten einen Vortrag vor dem kanadischen Schriftstellerverband. Vor lauter Aufregung purzeln meine Sätze durcheinander, da hilft auch der von den Schriftstellern spendierte „Vorab-Rotwein“ nichts. Meine Freundin spricht also, ich klicke durch die Powerpoint-Präsentation. Es gibt viele Fragen aus dem Publikum, langsam werde ich lockerer. Nach zwei Stunden bricht die Veranstalterin ab, die Fragen sind längst noch nicht erschöpft, aber es stehen noch weitere Punkte auf der Tagesordnung.

Sonntag, der 8. November
Endlich! Die Telefonhotline von Vanoc funktioniert! Heureka, ein Lebenszeichen! Eine freundliche Stimme vom Band informiert den neugierigen Anrufer, dass Phase 3 des Ticketverkaufes aufgrund technischer Schwierigkeiten verschoben wurde. Man kann es in einer Woche noch einmal probieren. Aber nur, so finde ich später noch im Kleingedruckten der inzwischen ebenfalls wieder zugänglichen Webseite, wenn man kanadischer Bürger und im Besitz einer Visa-Karte ist. Es werden keine anderen Zahlungsmittel akzeptiert. Und jeder Bürger darf nur einmal Tickets mit seiner VISA-Karte erwerben, und zwar maximal 4 pro Veranstaltung (Ausnahme: 8).
Wir haben zwar eine deutsche, beantragen aber flugs noch eine kanadische Visa-Karte. Nur zur Sicherheit.

Samstag, der 7 November.
Geheimprojekt „Olympia“. Wir stellen den Wecker, sitzen schon vor dem Frühstück vor dem Rechner und fluchen. Ich habe keinen Zugriff auf die Website von Vanoc, auf der heute um 10 Uhr Ortszeit Tickets verkauft werden sollen. Die Seite ist „currently not available“ (derzeit nicht verfügbar). Die Telefonhotline besetzt.

Donnerstag, der 5. November
Es gab mal wieder eine geheimnisvolle Email von Vanoc, dem Veranstalter der Olympischen Spiele. Angeblich sollen am 7. November, 10 Uhr Pazific Time Tickets für Olympia verkauft werden. Von unseren kanadischen Bekannten, die alle scharf auf Tickets sind, weiß davon niemand etwas.


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2. November 2009
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Sonntag, den 1. November

„Are you here for THE event?“ (Seid ihr wegen DEM Ereignis hier?)
Heute Abend ist die Fackel mit dem olympischen Feuer in Tofino. Tofino ist eine Halbinsel auf Vancouver Island, und wohl der westlichste Ort an der Westküste des Pazifiks. Die Autobahn, die seit locker 100 Kilometern nur wenig mehr als eine gut geteerte Straße ist, endet hier und auf drei Seiten von Wasser umgeben gilt Tofino als DAS Surferparadis schlechthin. Die letzten Tage war ein großer, internationaler Wettkampf, den einer der Einheimischen gewann (O`Neil Cold Water Classic Canada).
Beim Bestaunen der Surfkünstler hören wir am Strand von anderen Touristen, dass die Straßen gesperrt sein sollen, und treffen auf einem der Strandparkplätze tatsächlich noch auf ein zweites Auto – es ist ein Kamerateam. Nach ein wenig Smalltalk verraten sie uns, dass die Straßen zwischen den Dörfern natürlich nicht gesperrt werden – die Fackel wird im Auto transportiert und für den kleinen Konvoi muss man nun wirklich nichts absperren.
Zurück in Tofino mischen wir uns „unters Volk“. Wir erfahren, dass am „Long Beach“ die Indianer die Fackel mit Trommeln und einem kleinen Fest weitergereicht hätten – genaue Informationen darüber findet man aber nirgends. Es gibt nur ein kleines Plakat mit den in Tofino selbst stattfindenden Events.
Am Nachmittag sind im Dorf Zelte aufgestellt und man hat das Gefühl, das halbe Dorf ist auf den Beinen – es sind vielleicht 200 Leute, die da so „rumstehen“. Es regnet und unschlüssig stehen wir dabei und werden zu heißer Fischsuppe eingeladen.
Gegen 17 Uhr geht das Programm auf der von VANOC extra aufgestellten Bühne los: eine Gruppe von First Nations spielt ein Lied auf ihren traditionellen Trommeln. Danach ist die Bühne fest in der Hand von VANOC: Der Moderator (diesmal gibt es einen!) bejubelt die Spiele und dann sind die Sponsoren dran: COCO-COLA schickt ein Animationsteam auf die Bühne (Drei Jungs trommeln und drei Sportler zeigen akrobatische Künste), RBC (Royal Bank of Canada) lässt einen Künstler live auf einer sich ständig drehenden Leinwand mit Sprühfarben das Fackelplakat von VANOC nachgestalten und eine kanadische Sängerin singt den Soundtrack einer Fernsehwerbung. An den passenden Stellen dröhnt laut der Jubel, wir haben am Nachmittag den Soundcheck gehört und wissen, dass diese Euphorie nicht von den Leuten um uns herum kommt.
Um 18.15 Uhr ist eine Fackelübergabe auf dem nahen Skateboardplatz – eine Eisschnelläuferin (die wohl auch schon Medaillen gewonnen hat) übergibt die Fackel an einen Skater, der mitten im Regen ein paar Runden auf dem Skateboard dreht und die Fackel dann an Emily übergibt. Emily, ein Mädchen aus dem Dorf, flitzt freudestrahlend auf die Bühne, wo sie rasch mit der Fackel das Feuerschalengefäß entzündet (das, was aussieht wie ein Rednerpult.) Das ist der große Moment!
Der Häuptling des ortansässigen Stammes spricht ein paar Begrüßungsworte, diesmal ist der Beifall echt. Dann reden die Politiker, ihr Reden sind wie immer vor allem eins: lang. Dann wird noch mal der Surfer (der Gewinner des Vortages, der die Fackel auch mal trug) auf die Bühne geholt – auch diesmal ist der Jubel echt. Obwohl vom Publikum mehrfach lautstark gefordert, bekommt er nicht das Mikrofon – augenscheinlich ist VANOC mit solchen Improvisationen überfordert. Die VANOC-Medienjungs gucken noch mürrischer als in Victoria, ansprechbar sind sie gar nicht mehr. Während auf der Bühne eine 12-Jährige die Nationalhymne und der ortsansässige Chor ein olympisches Lied singen, fotografiert das kanadische Fernsehteam die Eisschnellläuferin. Es sind Privatphotos, jeder von den Jungs darf das Mädchen mal in den Arm nehmen. Auf der Bühne wird das Feuer ausgestellt. Plötzlich ist es dunkel, morgen geht’s weiter.
Es regnet, und irgendwie sollten auch noch ein Feuerwerk und ein Fest im Gemeindehaus stattfinden. Das fängt aber erst um 20 Uhr an – und bis dahin gehen alle nach Hause, und wir holen uns eine Tiefkühlpizza im Supermarkt.
Am späteren Abend gehen wir auch noch mal ins Gemeindehaus – schließlich gibt es kostenloses Essen und live Musik. Ein Barde singt und die Fackelträger knabbern am geräucherten Lachs: Wir erfahren, wer sie sind: Die Frau vom Bürgermeister, der Urenkel der ersten Siedlerin, das Mädchen mit dem besten Abizeugnis. Ach, und ein paar Indianer waren wohl auch dabei. Ein Indianermädchen im weißen Fackelträgertrainingsanzug hab ich auf dem Dorfplatz gesehen – bei dem Fest im Gemeindehaus sind keine Indianer dabei.

Samstag, den 31. Oktober
Die Fackel mit dem olympischen Feuer ist in Nanaimo.
Wir hören im Radio die Verkehrsinformation über die Straßensperren, mehr nicht.


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